Vorausgeschickt sei, dass ich kein Christ bin, obwohl sich von katholischer Seite aus in meiner frühen Jugend reichlich dahingehend bemüht wurde – doch es hat nichts genutzt. Was ich dafür mit den Jahren zu schätzen gelernt habe, sind Kirchen. Ich liebe die Architektur, die Atmosphäre, den Geruch nach altem Holz, den spiegelglatt glänzenden Marmor und die wunderschönen, ornamentierten Fenster mit ihrem komplexen Maßwerk. Egal ob klein oder groß, alte Kirchen stellen zumeist eine Oase der Stille in all dem modernen Trubel dar. Ober vielleicht beherrscht mich auch nur das berüchtigte Kölner-Dom-Gen?
Umso deprimierter beobachte ich deshalb jedenfalls eine fortschreitende Entwicklung, die mir von Mal zu Mal bitterer aufstößt: Verschlossene und vergitterte Gotteshäuser. Dabei trifft es durch die (Kirchen-)Bank alle, von der kleinen Dorfkapelle, bis hin zu herrschaftlichen Kathedralen. So stand ich vor nicht allzu langer Zeit vor St. Paul – immerhin der größten, neogotischen Kirche Südkölns - und rüttelte umsonst am versperrten Portal. Schreibt man in solchen Fällen eine Anfrage per Mail, erhält man entweder gar keine Antwort, oder wird mit lapidaren bis entrüsteten Ausflüchten beglückt. Beispielsweise schrieb mir der Verantwortliche für die Herz-Jesu-Kirche, die altehrwürdig das ganze Kwartier Latäng beschirmt, ich könne doch immerhin in die Kapelle gehen, von dort aus könne man einen Blick in das Hauptschiff werfen. Dieses sei sonst nur zu Gottesdiensten und Konzerten geöffnet, und abgesehen davon für den Publikumsverkehr nicht zugänglich.
Publikumsverkehr? So kann man das viel gepriesene „Meine Tore stehen euch immer offen“ natürlich auch auslegen. Sowieso ist es ja nahezu dasselbe, sein Gesicht zwischen Gitterstäben hindurchquetschen zu müssen, in der Hoffnung einen Blick auf sakrale Innenräume und Kunst zu erhaschen, wie hineinzugehen. Wer will schon sachten Schrittes über uralte, verwaschene Grabplatten wandeln, hoch über sich geschichtsträchtige Deckenmalereien betrachten oder das bunte Lichtspiel durch filigrane Bleiglasfenster bewundern? Im Privaten eine Kerze aufstellen? Nö, draußen ist’s ja auch schön. Was allerdings immer im Vorraum, diesseits der Gitter, zu finden ist, ist eine Spendenbox, Geschäftssinn muss schließlich sein.
Ich kenne nicht wenige Leute, die sagen, dass sie ihre Kirchensteuer auch ohne Glaube zahlen, um einen Beitrag zur Seelsorge und dem Erhalt der historischen Gebäude zu leisten. Schöne Idee eigentlich. Wer allerdings – mit einigen Ausnahmen – noch von der Seelsorge profitiert, bleibt wohl ein Geheimnis. Die meisten Menschen, die in diesem Bereich arbeiten oder sich berufen fühlen, sehen entweder keinen Cent, oder müssen um jeden ebendieser kämpfen. Meine drei – recht großen und katholischen – Nachbargemeinden beispielsweise, teilen sich einen „Wechselpfarrer“, der sich auf diese Art bestimmt toll um all seine Schäfchen kümmern kann. Und für wen werden die Kirchen erhalten? Für Besucher jedenfalls nicht, denn die lässt man ja zumeist gar nicht erst hinein. Wo Steuern und Spenden bleiben, darüber hat der einzelne, brav blechende, Gläubige, weder Mitbestimmungsrecht, noch muss irgendjemand darüber Rechenschaft ablegen. Da mag sich der Zyniker ja fast schon an mittelalterlichen Ablasshandel erinnert fühlen. Und plötzlich bin ich froh, wenigstens nicht gläubig zu sein, und mein Seelenheil dieser Mentalität anvertrauen zu müssen.